Ablass - Ablassbuch - Ablasshandel

Kritik an der Ablasslehre

Die Schwierigkeit der Ablasslehre für das heutige Verständnis besteht vor allem darin, dass sie die christliche Auffassung von der menschlichen Existenz in der irdischen und in der jenseitigen Welt unter einem bestimmten, vielfach als verengt empfundenen Aspekt und in einer antiquiert erscheinenden, kirchlichen Rechtssprache zum Ausdruck bringt.

Kritisiert wird auch das der Ablasslehre innewohnende „Geschäftsdenken“ („Verrechnung“ von „guten Werken“ mit Sündenstrafen). Diese Kritik stellt oft insbesondere auf die Verhältnisse in der Vergangenheit ab (etwa zu Martin Luthers Zeiten), als man Ablässe auch oder ausschließlich gegen eine als „Spende“ deklarierte „Bezahlung“ in Geld gewinnen konnte. Heute sind Ablässe dagegen nicht mehr an pekuniäre Leistungen gebunden. Entgegnet wird den Kritikern auch, dass der in dem verrichteten Werk selbst liegende Verdienst für die Bemessung des Ablasses zumindest in moderner Zeit keine Rolle mehr spielt. Leistung (etwa der Besuch einer Pilgerstätte) und Gegenleistung (Ablass von Sündenstrafen) stehen in einem so ungleichen Verhältnis zueinander, dass von einem Geschäft im üblichen Sinne keine Rede sein könne.

Von protestantischer Seite war (und ist) der dogmatische Hauptkritikpunkt an der römisch-katholischen Ablasslehre weniger die zeitweilige Kommerzialisierung der Ablassgewährung, die nach überkonfessionell herrschender Meinung recht eindeutig als zeit- und mentalitätsbedingte Fehlentwicklung zu erkennen ist. Vielmehr wird – ausgehend insbesondere von Luthers 58. These (siehe Zitate) – argumentiert, dass sich hier eine kirchliche Administration, verkörpert durch den Papst, anmaße, den „Gnadenschatz“ nach ihrem Gutdünken und nach menschgemachten Regeln „verwalten“ und „verteilen“ zu dürfen, und damit Gottes Gerechtigkeit vorgreife. Nach protestantischem Verständnis bleibt es allein Gottes gnädigem Ratschluss vorbehalten, dem reuigen Sünder über die Vergebung hinaus Indulgenz zu gewähren, ohne dass die Kirche hier mitzureden hätte. Die Buße für vergebene Sünden wird als eine Frage des innerlichen Menschen angesehen, eine Sache allein zwischen dem glaubenden Einzelnen und seinem Gott. Diese Interpretation spiegelt das tendenziell eher individualistische Glaubensverständnis der reformatorischen Konfessionen wider, die die „sichtbare Kirche“ als äußerliche Institution der geistig gelebten „inneren Kirche“ der wahrhaft Gläubigen gegenüberstellen, während die katholische Lehre tendenziell eher den Gemeinschaftsaspekt betont, ausgehend von einem Kirchenverständnis, das in der hierarchischen Organisation die himmlische Gemeinschaft der Heiligen bereits zum Teil verwirklicht sieht.



Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Ablass aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz Seite/lokale-fdl.txt GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported (Kurzfassung). In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.